«Die ambulante Tarifstruktur hinkt den reellen Kosten hinterher»

Bernhard Wegmüller von H+ nimmt Stellung zum Vorwurf, wonach Spitäler mit der Missachtung der WZW-Kriterien bewusst das Gesetz verletzten. Und er erklärt, weshalb eine bessere Entschädigung ambulanter Eingriffe insgesamt die Kosten senken würde.

, 22. Mai 2017 um 21:46
image
  • spital
  • hplus
  • tarmed
  • gesundheitskosten
Herr Wegmüller, die Spitäler sind nur unter Bedingungen bereit, die Behandlungen so weit wie möglich ambulant statt stationär durchzuführen. Sie geben damit zu, bewusst das Gesetz zu verletzen, indem die Spitäler die WZW-Kriterien missachten.Das stimmt so nicht ganz: Gemäss den WZW-Kriterien müssen Behandlungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Doch die Wirtschaftlichkeit ist im ambulanten Bereich keineswegs gegeben, Aufwand und Ertrag stehen in einem Missverhältnis. Viele Eingriffe sind defizitär. Die ambulante Tarifstruktur hinkt den reellen Kosten schon seit Jahren hinterher.
Was ist Ihre Lösung?Um mehr ambulante Behandlungen statt stationäre durchzuführen, muss die Entschädigung angepasst werden. Das wollen wir mit der «One-Day-DRG» bewerkstelligen.
Sie wollen höhere Tarife für Spitalambulatorien. Das wird das Gesundheitswesen zusätzlich verteuern.Nein, wenn man dadurch stationäre Infrastrukturen einsparen kann, wird es unter dem Strich günstiger.
Falls der ambulante Bereich auf Kosten des stationären stark wachsen würde, hätten wir sofort Überkapazitäten im stationären Bereich. Die Spitäler werden weiterhin dafür sorgen, dass ihre Betten ausgelastet sind. Im Moment gibt es im Spitalwesen grosse Investitionen. Die Spitäler wissen sehr wohl, in welche Richtung sich die medizinische Versorgung entwickeln wird. Entsprechend wird auch in Spitalambulatorien investiert. Und wenn die Entschädigung im ambulanten Bereich stimmt, so haben die Spitäler keinen finanziellen Anreiz mehr, Patienten stationär statt ambulant zu versorgen.
Die Kassen werden sich gegen den «One-Day-DRG» sträuben, weil sie bei ambulanten Eingriffen 100 Prozent der Kosten tragen müssen.Die Aufteilung der Finanzierung des «One-Day-DRG» muss noch ausdiskutiert werden, so dass nicht nur eine Seite davon profitiert.

«Wenn die Entschädigung im ambulanten Bereich stimmt, so haben die Spitäler keinen finanziellen Anreiz mehr, Patienten stationär statt ambulant zu versorgen.»

Wollen Sie damit sagen, dass sich auch die Kantone am «One-Day-DRG» beteiligen sollten?Ja. Das ist die Idee. Wir stellen uns vor, dass die Leistungen dieser Schnittstellen dual fix finanziert werden, analog der stationären Behandlungen.
Das können Sie vergessen: Die Gesundheitsdirektoren werden da nie mitmachen.Wir haben von Gesundheitsdirektoren das Signal erhalten, dass sie in diesem Bereich für eine gemeinsame Lösung Hand bieten werden. Nicht für den gesamten ambulanten Spitalbereich, aber für jene Schnittstellen, die mit «One-Day-DRG» abgerechnet werden könnten.Ist es wirklich nicht möglich, den gesamten ambulanten Bereich in Spitälern mit DRG abzurechnen?Nein, das geht nicht. Ganz viele Behandlungen in unseren Ambulatorien sind viel näher bei der Behandlung in einer Arztpraxis als bei einer stationären Spitalbehandlung. Denken Sie nur an all die Notfällen, bei denen Bagatellen behandelt werden, die in 15 Minuten behandelt werden können. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

So wird KI fit für die klinische Routine

Vivantes integriert mit clinalytix KI in die täglichen Behandlungsprozesse

image

GZO Spital Wetzikon: Definitive Nachlassstundung bewilligt

Damit wird dem Spital Wetzikon die benötigte Zeit eingeräumt, um das Sanierungskonzept anzugehen.

image

Das MediData-Netz: Damit alle profitieren

Die Digitalisierung im Gesundheitssystem ist dringend und bringt Vorteile für Health Professionals und Patient:innen. Die Standardisierung des Forums Datenaustauschs ermöglicht eine sichere Vernetzung und effiziente Prozesse. Das MediData-Netz ermöglicht die schnelle Implementierung neuer Lösungen.

image

Gesundheitsfördernde Materialien gesucht?

Die Wahl passender Materialien ist bei Neu- und Umbauten eine grosse Herausforderung – auch im Gesundheitsbereich. Denn diese müssen unterschiedlichen und hohen Anforderungen gerecht werden. Nicht immer ist das jahrelang Eingesetzte die beste Wahl und neue Alternativen haben es schwer.

image

Spitäler Schaffhausen: Gesamterneuerung teurer, Kosten bei 330 Millionen Franken

Dabei soll der Kanton insgesamt 130 Millionen Franken beitragen.

image

«Von einem System zu sprechen, entbehrt jeglicher Grundlage»

Zweigen Spitäler und Praxen Rabatte für sich selber ab? Medienberichte stellten diesen Verdacht in den Raum. Nun antwortet der Spitalverband H+.

Vom gleichen Autor

image

«Kritiker der Komplementärmedizin haben eine zu einseitige Sicht»

SP-Ständerätin Franziska Roth kritisiert im Interview die Haltung von Gegnern der Komplementärmedizin. Sie verkennen den Wert der ärztlichen Expertise.

image

Physiotherapie: Die Stolpersteine im Tarifstreit

Wie weiter im Tarifstreit in der Physiobranche? Die Frage ist: Welcher Streit – jener über die Tarifstruktur oder jener über den Preis?

image

So funktioniert die Sterbehilfe in Europa

In mehreren Ländern Europas ist die Sterbehilfe entkriminalisiert worden. Ein Überblick.