Im Schweizer Spitalmarkt dürfte es bald Sanierungsfälle geben. Dies ist eine der Kernaussagen der eben publizierten Studie Kennzahlen von Schweizer Spitälern 2018. Herausgegeben wird die jährlich erscheinende Erhebung und Analyse von der auf Wirtschaftsprüfungen spezialisierten Firma PWC. Diese rechnet damit, dass bereits in den «kommenden Monaten und Jahren» erste Spitäler definitiv in finanzielle Schieflage geraten.
Einer der Hauptgründe dafür: Die Eigenkapitaldecke der Spitäler schrumpfte - wie bereits in den vier Jahren zuvor - auch 2018. Einige Spitäler wiesen «ein bedrohlich tiefes Eigenkapitalniveau aus», so der Bericht.
Für PWC taxiert eine Eigenkapitalquote von über 40 Prozent als gut. Hält die Entwicklung im Bereich des Eigenkapitals in den kommenden Jahren an, dürfte der Medianwert aller Spitäler schon in wenigen Jahren darunter liegen. Manche Spitäler dürften aber auch mit massiv tieferen Eigenkapitaldecken eine Weile um eine eigentliche Sanierung herumkommen - denn PWC rechnet implizite Garantien (bei öffentlichen Spitälern meist die Kantone oder Kommunen) nicht ein.
Was passiert, wenn ein Spital zu wenig Eigenkapital hat? Diese Frage beantwortete Philip Sommer, der Hauptautor der Spitalkennzahlen, und der Gesundheitsökonom Heinz Locher
gegenüber von Medinside
vor Kurzem wie folgt:
Einem Spital bleiben dann folgende Möglichkeiten:
- Der Weiterbetrieb in veralteter oder deutlich reduzierter Infrastruktur, da Investitionen für das Spital langfristig nicht tragbar sind,
- Einschuss von Eigenkapitalbeiträge durch den Träger; bei öffentlichen Spitäler über den Kanton und damit die Steuerlast des Bürgers,
- Einstellung des Weiterbetriebs und damit eine Konsolidierung innerhalb des Spitalmarkts
- oder eine grundlegende strategische Neuorientierung.
85 Prozent arbeiten nicht so rentabel, wie sie sollten
Als Grund für die immer dünner werdenden Eigenkapitaldecken nennen die Studienautoren die mangelhafte Profitabilität vieler Spitäler. In der Branche geht man davon aus, dass eine zehnprozentige EBITDA-Marge (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und sonstigen Finanzierungsaufwendungen) notwendig ist, um die hohen Investitionen in Gerätschaften und Infrastruktur tätigen zu können. Wie der Kennzahlenbericht von PWC zeigt, sank im Vergleich mit 2017 die Zahl jener Spitäler, die diesen Wert erreichten. Erreichten 2017 neun Spitäler den Wert, waren es nun nur noch deren sieben (dies bei einer Stichprobe von 44 Spitälern). Sprich: 85 Prozent aller Spitäler erreichen den Zielwert nicht.
Dennoch: Der Medianwert aller EBITDA-Margen blieb gegenüber dem Vorjahr konstant. Und dies trotz «Megatrends wie der Ambulantisierung, der ambulanten Tarifanpassung, dem Druck auf Zusatzversicherungserträge, den Mindestfallzahlen», die sich allesamt negativ auf das Ergebnis auswirken.
Dass die Margen insgesamt trotzdem konstant gehalten werden konnten, sei der Tatsache geschuldet, dass die Spitäler in den letzten drei Jahren mit «verschiedenen Massnahmen auf die erwähnten Entwicklungen» reagiert haben, so die Studie.
Neben der EBITDA- blieb auch die EBITDAR-Marge, zusätzlich allfällige Mietkosten beinhaltet, insgesamt konstant. | Grafik: PWC
Grosse und komplexe Herausforderungen
«Die Spitäler haben mit Effizienzprogrammen eine Stabilisierung der Profitabilität erreicht», steht im Papier. Als Folge davon hat auch die Streuung der EBITDA-Margen unter den Spitälern in den letzten Jahren abgenommen. Am grössten ist die Streuung bei kleineren Spitälern mit weniger als 250 Betten. Erklärung: Spezialisierte (oft private) Kleinspitäler arbeiten in der Regel profitabel bis sehr profitabel. Demgegenüber arbeiten kleine (meist öffentliche) Spitäler «mit dem Ansatz einer umfassenden (Grund)Versorgung und einem breiten Portfolio eher unrentabler».
Dem Trend der letzten Jahre zum Trotz gehen die Autoren davon aus, dass sich die EBITDA-Margen in den einzelnen Spitälern in Zukunft wieder unterschiedlicher ausfallen werden. Dies aufgrund bevorstehender «Ereignisse» wie Tarif- oder Finanzierungsänderungen, einer weitergehende Ambulantisierung, neuer Geschäftsmodelle oder der Inbetriebnahme von grossen Neubauprojekten.
Die Herausforderungen für die Spitäler sind gross und komplex. Das sehen auch die Studienautoren nicht anders. Aus ihrer sich befinden sich «viele Spitäler und Kliniken in einer kontroversen Situation: Einerseits sollen sie qualitativ hochwertige, breite Angebote an teilweise unterschiedlichen Standorten aufrechterhalten. Andererseits müssen sie ihre Wirtschaftlichkeit deutlich erhöhen.» Durch die Einführung von Mindestfallzahlen würden besonders kleine Spitäler strategische Anpassungen vornehmen müssen, schreiben sie weiter. Auch der Trend und die Pflicht zu mehr ambulanter Eingriffe führe zu strategischen Unwägbarkeiten.
Geld nicht in Bauten investieren
Im (sinnvollen) Umgang mit dieser schwierigen Situation sehen die Autoren einen Trend weg von Investitionen in Bauten: «Eine nicht nachhaltige Profitabilität stellt die Leistungserbringer vor die Frage, wie sie die anstehenden Investitionsvorhaben langfristig finanzieren sollen. Erweiterungsbauten, Neubauten oder grosszyklische Sanierungen im Hinblick auf den verschärften Wettbewerb gelten nicht mehr als einziges Mittel zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. In Zukunft geht es um Investitionen in Daten, Prozesse und IT sowie in neue Betriebsmodelle. Gleichzeitig konzentrieren sich die stationären Leistungen an weniger Standorten.»
Dennoch wird derzeit sehr viel gebaut. Gemäss der Studie beträgt die Gesamtsumme aller in den kommenden 15 Jahren projektierten Bauprojekte 12 Milliarden Franken
Die Umsatz - und Kostenentwicklung wird in diesem Artikel separat thematisiert.