Prof. Dr. Salzberg, Sie sind Gründer des Herz & Rhythmus Zentrums in Zürich. Worin unterscheidet sich dieses von anderen Herzzentren?
Ich habe das Zentrum primär für Patienten mit Herzrhythmusstörungen gegründet. Bis anhin waren diese Patienten an verschiedene Spezialisten gebunden und es fehlte vielfach der interdisziplinäre Gedanke. Das wollte ich ändern.
Sie sprechen den sogenannten «Thinking outside the Box» Denkansatz an?
Genau. Patienten mit Herzrhythmusstörungen profitieren von diesem neuen Denkansatz, in welchem auch andere Fachrichtungen, wie beispielsweise ein Herzchirurg oder ein Kardiologe, involviert sind. Ich wollte den Status Quo brechen und innovativ ein altes Problem angehen.
Welche Vorteile entstehen durch diese interdisziplinäre Zusammenarbeit für den Patienten?
Ähnlich wie bei einem Tumorboard besprechen wir jeweils im Gremium mit Spezialisten unsere Patientenfälle. Gemeinsam finden wir dann das individuell beste Therapiekonzept für den jeweiligen Patienten. Plakativ gesagt: Bei uns bekommt der Patient nicht das, was ich am besten kann, vielmehr bekommt er das, was für ihn am besten ist! Unabhängig von finanziellen Interessen oder von Machtspielen zwischen verschiedenen Abteilungen.
Wenn Sie auf die letzten 10 Jahre zurückblicken – wie haben sich die Behandlungsmöglichkeiten bei Herzrythmusstörungen verändert?
Es hat sich in den vergangenen Jahren unglaublich viel getan, insbesondere im Bereich der innovativen und minimal-invasiven Herzchirurgie, der komplexen Electrophysiologie, und der chirurgischen Ablationen bei Vorhofflimmern. Mittels Zugang zum Herzen mit der Schlüssellochtechnik kann heute sehr viel schonender operiert werden. So wurde etwa die chirurgische Ablation ursprünglich in einer offenen Operation am Herzen durchgeführt. Heute wird das gleiche Resultat chirurgisch mit der Schlüssellochtechnik über einen Zugang zum Herzen mit je drei kleinen Hautschnitten links und rechts des Brustkorbes erzielt.
Die chirurgische Ablation wurde vor mehr als zehn Jahren am Universitätsspital Zürich von Ihnen und Dr. van Boven eingeführt. Wie funktioniert diese Operation konkret?
Bei der Ablation wird Gewebe, das für die unkontrollierte elektrische Herzaktivität verantwortlich ist, zerstört, entweder chirurgisch mit dem Skalpell oder elektrophysiologisch mit dem Katheter (via Radiofrequenz oder Kälte resp. Kryotherapie). Es werden also Narben gesetzt, um gewisse Gewebeanteile im Herzen elektrisch stillzulegen. Die Methode wird beim Vorhofflimmern eingesetzt und zeigt sehr gute Erfolge, rund 80 Prozent der Betroffenen werden dauerhaft von ihren Beschwerden befreit.
Stichwort Vorhofflimmern - die weltweit häufigste Herzrhythmusstörung bei Erwachsenen. Wie äussert sie sich?
Von einer Herzrhythmusstörung (Arrhythmie) wird gesprochen, wenn das Herz unregelmässig schlägt. Beim Vorhofflimmern (absolute Arrhythmie) schlägt das Herz hingegen unkoordiniert, wobei die kleinen Kammern, d.h. die Vorhöfe, nicht mehr schlagen und nur noch unkontrolliert flimmern. Demzufolge entsteht eine unkoordinierte Herzaktion, nicht mehr durch die Vorhöfe taktiert aber mit einem chaotischen ventrikulären Herzrhythmus.
Vorhofflimmern führt zu einem 5-fach erhöhten Risiko für einen Schlaganfall oder Hirnschlag. Wie lässt sich dieses Risiko vermindern?
Zunächst müssen Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Herzschwäche, Koronare Herzerkrankung oder eine Schilddrüsenüberfunktion behandelt werden. Nötig ist bei den meisten Patienten eine Blutverdünnung. Hat der Patient weiterhin einschränkende Symptome, kann die erwähnte Ablation zum Einsatz kommen.
Wagen wir zum Schluss einen Blick in die Zukunft: Wie wird sich die Herzchirurgie weiterentwickeln bzw. welche Rolle wird z.B die Roboterchirurgie spielen?
Die Herzchirurgie wird sich in verschiedene Nischen aufteilen. Das Ziel ist die Sub-Spezialisierung –der Weg dorthin ist jedoch noch unklar. Mit den rasanten Entwicklungen und der aktuellen Situation, dass Innovationen zu schnell ohne kritischen Blick den Weg in die Klinik finden, haben wir ein grosses Problem. Wir müssen auch auf das Altbewährte zurückgreifen – wobei das Wort alt in Bezug auf die Herzchirurgie nicht wirklich korrekt ist. Schliesslich wurde erst 1954 die erste Operation am offenen Herzen durchgeführt und 1958 der erste Herzschrittmacher eingesetzt.
Wie Roboter uns in Zukunft helfen können ist noch unklar, bis jetzt steckt wohl sehr viel Marketing dahinter.
Kontakt
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