Paraplegikerzentrum? Männiglich denkt dabei an Nottwil, wo gut 60 Prozent der Paraplegiker-Patienten der Schweiz behandelt werden. Die restlichen knapp 40 Prozent verteilen sich auf die Zürcher Universitätsklinik Balgrist, die Rehab Basel und die Clinique Romande de Réadaption in Sion.
Guido A. Zäch wirkte zuerst in Basel
Doch bevor der umtriebige Guido A. Zäch vor 30 Jahren am westlichen Ufer des Sempachersees sein Lebenswerk errichtete, stand das Schweizerische Paraplegikerzentrum in Basel und war Teil dessen Bürgerspitals. Dieses Paraplegikerzentrum gibt es immer noch, nur heisst es heute Rehab Basel, ist nicht mehr Teil des Bürgerspitals und firmiert als gemeinnützige AG.
Nachdem das SPZ in Nottwil die in der Schweiz verfügbare Kapazität markant ausgebaut hat, reduzierte die Rehab Basel ihr Bettenangebot für Paraplegiker von 70 auf 40 Betten und errichtete daneben mit der Reha für Hirnverletzte ein zweites Standbein. Dieses Standbein wurde im Lauf der Zeit immer stärker. Von den rund 100 stationären Betten der Rehab sind mittlerweile 60 für Hirnverletzte reserviert.
Direktor Stephan Bachmann: «Es sind die schwersten Fälle, die auf die SAP-Station kommen.»
Nun ist das Angebot für Hirnverletzte mit einer neuen, geschlossenen Station erweitert worden. Sie zählt fünf Doppel- und zwei Einerzimmer plus Gemeinschafts- und Rückzugsräume sowie eine kleine Gartenanlage. «Es sind die schwersten Fälle, die auf die SAP-Station kommen», sagt Direktor Stephan Bachmann im Sitzungszimmer der Rehab in Basel.
Schwer verhaltensauffällige Patienten
SAP steht für «Schwer verhaltensauffällige Patienten». Aus naheliegenden Gründen wollte man die Station nicht SVP nennen, wie das die Anfangsbuchstaben ergeben hätten. Das A steht für auffällig.
«Solche Menschen haben einen grossen Bewegungsdrang; sie wollen hinaus, sie brauchen Platz», erklärt Oberarzt Maximilian Oeinck während eines kurzen Besichtigungsrundgangs. Die Zimmer sind geräumig.
Die geräumigen Zimmer haben direkten Zugang in den Garten.
Exklusiv für diese Patienten gibt es einen kleinen Garten. Damit die unberechenbaren Patienten nicht das Weite suchen, musste der Hag um einen halben Meter erhöht werden. Die Patienten können die Station nicht unbegleitet verlassen. Für extreme Fälle steht ein Isolationszimmer bereit.
«Wenn wir einen Standard haben bei uns auf der Station, dann ist es, dass wir keinen Standard haben», sagt Katja Doepgen, die Leiterin der SAP-Station. Man braucht individuelle Therapiekonzepte, wenn sich zum Beispiel jemand der Therapie verweigert, was nicht selten vorkommen soll.
Pastell statt knallig
Interessant ist auch das Farbkonzept: Wo sonst im Haus knallige Farben vorherrschen, sieht man in der neuen SAP-Station nur Pastellfarben. «Damit man die Reizüberflutung nicht noch schürt», erklärt Stephan Bachmann. Nicht Zimmernummern sorgen für die Orientierung, sondern Farbtöne.
«Wir kümmern uns um die, um die sich niemand anders kümmert», so Bachmann weiter. «Der klassische Hirnschlag-Patient ist nicht bei uns. Wir sind für die schwersten traumatischen hirnverletzten Fälle zuständig.» So betreut das Rehab Basel auch Wachkomapatienten. Es sind etwa 15 pro Jahr, die zwischen acht und dreizehn Monate in der Rehab behandelt werden.
Grosse Herausforderung fürs Pflegepersonal
Die SAP-Station ist zwar neu; dennoch fehlt es nicht an einschlägiger Erfahrung. 2016 startete die Rehab auf einer Neuroreha-Station mit einem Pilotprojekt, das sich anscheinend bewährte. Doch die grösste Herausforderung liegt laut Bachmann in der Rekrutierung des Pflegepersonals.
Erstens fehlt es grundsätzlich an Pflegefachkräften. Zweitens stellt die Betreuung schwer verhaltensauffälliger Patienten eine besondere Herausforderung dar, der sich nicht alle stellen wollen. SAP-Patienten mit einem schweren Hirn-Schädel-Trauma sind häufig nicht steuerbar; nicht willens, passen nicht ins Schema, brauchen eine individuelle Betreuung, eine Bezugsperson, um Vertrauen aufzubauen.
Das vor 18 Jahren errichtete neue Klinikgebäude kostete 99 Millionen Franken.
Die Handschrift von Herzog und de Meuron
Wie das Hauptgebäude trägt auch die neue Station die Handschrift des bekannten Basler Architekturbüros Herzog und de Meuron. Doch häufig haben gefeierte Architekten ein Flair für Design und Ästhetik, nicht unbedingt aber für Funktionalität.
Direktor Stephan Bachmann teilt diese Einschätzung im generellen, aber nicht was das Rehab Basel betrifft. Zudem sei der Bau trotz des bekannten Namens nicht teurer als wenn es vom Architekturbüro X gebaut worden wäre. 2002 kostete das neue Klinikgebäude 99 Millionen Franken.
«Funktionalität und Ästhetik ist kein Widerspruch», sagt auch Pierre de Meuron im Jubiläumsmagazin 50 Jahre Rehab Basel. «Wir haben uns zum Beispiel gefragt, was es heisst, tagelang auf dem Rücken zu liegen und an die Decke zu starren», so De Meuron im Interview. Dann hätten sie verstanden, dass es eine Art Fenster braucht. So seien die Oberlichtkugeln entstanden.