Die Ursachen des komplexen Syndroms sind mannigfaltig und bis heute nicht restlos geklärt und die Therapiemöglichkeiten sind beschränkt. Die bestmögliche Vorbeugung und Behandlung eines Delirs können nur im interprofessionellen Team gelingen und bedingen die regelmässige Konsultation der aktuellen Literatur und die Vernetzung mit anderen Fachpersonen. Der professionelle Umgang mit Menschen in einem Delir und mit ihren Nahestehenden erfordert nicht nur eine hohe fachliche, sondern auch soziale Kompetenz. Wie sich die Lindenhofgruppe dieser Herausforderung stellt, wollen wir Ihnen im Folgenden näherbringen.
2018 hat die Lindenhofgruppe das Projekt «Optimiertes Delirmanagement» lanciert. Mit Erfolg. In den drei Spitälern der Gruppe sind weniger Patientinnen und Patienten von einem Delir betroffen als in der Literatur beschrieben. Ein typisches Beispiel für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Behandlungsqualität.
In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Delir-Patientinnen und -Patienten in den Akutspitälern deutlich zugenommen – eine Folge der demografischen Entwicklung. Es werden mehr ältere und mehr multimorbide Menschen behandelt. Die Präventions- und Behandlungsmassnahmen bei einem Delir sind mit hohem zeitlichem und personellem Aufwand verbunden. So hat sich der Einsatz von Sitzwachen in der Lindenhofgruppe zwischen 2011 und 2015 vervierfacht. Das entspricht Mehrkosten von 700 000 Franken. Das Delir ist sowohl für die betroffenen Patientinnen und Patienten als auch für ihre Angehörigen oft ein traumatisierendes Ereignis und stellt das gesamte Behandlungsteam vor grosse Herausforderungen. Die Lindenhofgruppe hat deshalb 2018 das Projekt «Optimiertes Delirmanagement» lanciert.
Interprofessionelle Zusammenarbeit und Schulung
Erfolgreiches Delirmanagement setzt die enge interprofessionelle Zusammenarbeit von Ärzteschaft und Pflege voraus. Die Lindenhofgruppe hat diese im Rahmen des Projekts gestärkt. Die Richtlinien im Umgang mit dem Delir wurden evidenzbasiert aktualisiert und an allen Standorten verankert. In der interprofessionellen Projektgruppe waren Mitglieder aus der Anästhesie, der Intensivpflegestation, der Pflege und der Inneren Medizin vertreten. Damit das Pflegepersonal ein Delir schneller erfassen kann, wurden einheitliche Screening- und Assessmentinstrumente eingeführt.
Das Pflegepersonal wurde zudem in einer Kombination aus E-Learning, Präsenzunterricht und Trainingssequenzen im Umgang mit Delir-Patientinnen und -Patienten geschult. Für neue Mitarbeitende finden obligatorische Schulungen statt, mit den themenverantwortlichen Pflegefachpersonen werden regelmässig Fallbesprechungen durchgeführt.
Neue Funktion «Advanced Practice Nurse»
Geleitet wird das Projekt «Optimiertes Delirmanagement» von einer Advanced Practice Nurse (APN) – einer akademisch ausgebildeten Pflegefachperson mit Spezialwissen für hochkomplexe Sachverhalte und erweiterten klinischen Kompetenzen. Im Dezember 2018 hat in der Lindenhofgruppe die erste Advanced Practice Nurse ihre Tätigkeit mit Schwerpunkt auf akut und chronisch verwirrte Patientinnen und Patienten aufgenommen. In dieser Funktion sucht sie an allen drei Standorten Patientinnen und Patienten auf, die eine chronische oder akute Verwirrung aufweisen. Damit kann sie fallbezogen das Behandlungsteam in der Betreuung unterstützen und beraten.
Erfreuliche Ergebnisse
Die getroffenen Massnahmen zeigen Wirkung. In der Lindenhofgruppe sind weniger Patientinnen und Patienten von einem Delir betroffen, als das die Literatur vermuten liesse, nämlich nur rund ein Zehntel so viele. Dadurch, dass ein Delir heute früher erkannt wird, können schneller Massnahmen eingeleitet werden. Exakte Daten sind in dieser Thematik schwierig zu erheben. Trotzdem berichten Pflegende, dass Delire weniger stark ausfallen und schneller abklingen. So entlasten die getroffenen Massnahmen auch das Pflegepersonal. Die Teams fühlen sich kompetenter und im Umgang mit Delir-Patientinnen und -Patienten weniger gestresst.