Dass Physiopraxen vom Lockdown besonders hart getroffen wurden, ist erstens bekannt und zweitens nicht erstaunlich. Einzelheiten dazu erläuterte Physioswiss am Dienstag an einer Onlinemedienkonferenz.
Am 10. März erklärte der Krankenversicherer CSS, der coronabedingte Lockdown habe bei der CSS die grössten Spuren bei Physiotherapeuten und Chiropraktoren hinterlassen. 47,6 Prozent des Behandlungsvolumens und 9,2 Prozent des Jahresumsatzes seien eingebrochen. Dies ergab eine Analyse des CSS Instituts für empirische Gesundheitsökonomie.
Physioswiss-Geschäftsführer Osman Besic hat diese Zahlen hochgerechnet und kommt für Physiopraxen auf Ertragsausfälle von 95 Millionen Franken in den ersten neun Monaten 2020. Dies allein im Bereich, der von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) vergütet wird.
Kein Nachholeffekt
Laut Besic sind Auslastung und Erträge nicht auf dem Niveau von früher und werden es auch noch lange nicht sein. Die seit Beginn der Pandemie erlittenen Ertragsausfälle hinterliessen grosse und dauerhafte Lücken: «Physiotherapeutische Leistungen lassen sich nicht einfach aufholen, Ertragsausfälle nicht irgendwann kompensieren,» so Besic.
Schwer wiegen die Fixkosten, namentlich für die Miete:
- 86 Prozent alle Physiotherapiepraxen haben ihre Räumlichkeiten gemietet
- Die Mietkosten machen rund ein Viertel der Gesamtkosten aus
- 58,5 Prozent aller Praxen haben bis heute keinen Mietzinserlass bekommen
- 27 Prozent der Anfragen von Physiotherapiepraxen nach einer Mietzinsreduktion wurden nicht stattgegeben
Zusätzlich zu den Ertragsausfällen und laufenden Mietkosten falle der zeitliche und materielle Mehraufwand für Schutzvorkehrungen stark ins Gewicht, so Besic weiter. «Kaum eine Berufsgruppe arbeitet so nah an ihren Patientinnen und Patienten wie die Physiotherapeutinnen und -therapeuten, entsprechend strenge Schutzkonzepte werden in den Praxen umgesetzt.» Der laufend anfallende Zusatzaufwand erfolge indes ohne Entschädigung.
Deshalb fordert Physioswiss eine neue Tarifposition «Schutzmassnahmenpauschale» für die temporäre Übernahme der tatsächlich anfallenden Kosten in Höhe von 3.95 Franken pro Behandlung». Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) habe diese Forderung bisher «ohne stichhaltige Begründung» abgelehnt.
Tele-Physio ist nicht kostendeckend
Und noch eine Forderung hat Physioswiss deponiert: Eine adäquate Abgeltung von Leistungen der Tele-Physiotherapie. Die Abgeltung beträgt derzeit gemäss BAG-Empfehlung 23 Franken für eine reguläre Konsultation, die normalerweise eine halbe Stunde dauert. Die Unfallversicherer, die IV wie auch die Militärversicherung bezahlten für die exakt gleiche Leistung 49 Franken.
Ist es nicht so, dass die selbstständigerwebenden Physiotherapeuten und -therapeutinnen grosszügig und unbürokratisch in den Genuss der Corona-Erwerbsersatzentschädigung kamen? «Nein», sagt Verbandspräsidentin Mirjam Stauffer. Wer als Unternehmer ein AHV-Einkommen von über 90'000 Franken verdient, konnte von dieser Entschädigungspraxis nicht profitieren. Das seien sehr viele.